Text zur Serie "Light & Bright" von Dr. Frank Seehausen, Architekt und Kunsthistoriker, 12/2019
Spätestens seit 1982 Ridley Scotts Blade Runner in die Kinos kam, ist die Idee von Großstadt als dynamische Collage farbiger Lichtreflexe zum Topos einer ebenso faszinierenden wie auch erschreckenden Großstadtwelt geworden. Das Bild von Los Angeles im Jahr 2019 war ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensrealitäten. Steile Straßenfluchten, wechselnde Perspektiven und blinkende Werbetexte erzeugten dabei eine mitreißende visuelle Dynamik, die in ihrer Konsequenz auf filmische und fotografische Pioniere der 1920er Jahre zurückzuführen ist.
Wir alle haben die richtungsweisenden Szenen in Walter Ruttmanns Berlin-Collage „Symphonie einer Großstadt“ vor Augen, mit den bekannten Nachtszenen, die er an den Bahnhöfen am Zoologischen Garten und Potsdamer Platz drehte: Collagen blinkender Neonschriften, die er aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen hatte, und dynamisch überlagerte. Zusammen mit hektisch bewegten Szenen nächtlichen Verkehrs, setzte er sie zu einem neuen, pulsierenden Ganzen zusammen.
Hier drangen Seherfahrungen ins Kino vor, die erst wenige Jahre zuvor in Fotografie und Film unter anderem von Lazlo Moholy-Nagy und Lucia Moholy am Bauhaus oder Igor Vertov in Moskau experimentell erforscht wurden, und die mit ihrem Primat von Licht und Rhythmus über den Experimentalfilm – stellvertretend seien hier für Deutschland nur Hans Richter, Viking Eggeling, Kurt Schwertfeger und Ludwig Hirschfeld-Mack genannt – ihren Weg ins Kino fanden.
Auch in den schrägen Perspektiven der Großstadtfotografie der 1920er und 1930er Jahre zeigte sich jene Besonderheit moderner Stadterfahrung, die Sigfried Giedion schließlich 1949 am Beispiel von Aufnahmen des Rockefeller Centers in »Time Space Architecture« als genuines Wesensmerkmal der neuen Stadträume charakterisierte: diese sind für die Stadtbewohner aus seiner gewohnten straßenräumlichen Perspektive nicht mehr visuell als Ganzes zu erfassen. Das Rockefeller Center markierte dabei einen Dimensionssprung wie man ihn bis dahin nichtgekannt hatte: ein Bauwerk als städtebauliches Ensemble, Einzelbauten auf der Fläche von Häuserblöcken, eine Höhenentwicklung, die in dieser Dichte neuartig war.
Es fehlt mit dieser Entwicklung nun in modernen Städten das eine, alles erklärende Bild und damit die Definition einer gestalteten, einer charakteristischen Ansicht, wie es die Dimensionen der vormodernen Bauten selbst dann ermöglichten, wenn es sich um große und alle anderen Bauwerke überragende Bauten handelte. Die eigentliche Fassade eines Bauwerks wurde mit diesem Dimensionssprung, dem Verlust seiner Singularität und der vertikalen Dichte obsolet, da es keinen idealen Standpunkt mehr gab, keine Möglichkeit, das Gebäude von einem Punkt aus zu erfassen.
Giedion vermittelte in seiner Publikation diesen Verlust einer eindeutigen Dimension, eines klaren visuellen Bezugsrahmens durch eine Annäherung mit der Kamera: eine Collage schräger, sich überlagernder Perspektiven, mit einem steilen Blick nach oben als Reflex auf die Blicke aus den engen Straßenräumen. Der Blick wandert nach oben, tastet, sucht und findet keinen Halt, um die ganze Form zu erfassen. Anders gesagt: man kann nur ein Gefühl für das Ganze vermitteln, indem man viele Einzelbilder zusammenführt.
Viele dieser stadträumlichen Erfahrungen der Moderne finden sich in Friederike Höllerers farbintensiven und großformatigen Bildern wieder: da sind zunächst die steilen Blickwinkel, die sich überlagernden Perspektiven, die unterschiedlichen und sich widersprechenden Fluchten.
Es sind luftige Konstruktionen, die sie imaginiert. Von einem monochromen, meist hellen Untergrund heben sich luzide Streifen ab, Rahmen, grelle Flächen und immer wieder verwaschene Farbwolken. Auf den ersten Blick meint man Fenster zu erkennen, Andeutungen von Fassaden, von Kubaturen, von Zebrastreifen, Eisenbahnschwellen. Elemente einer flüchtigen Orientierung im Raum, Elemente, die den Nahbereich organisieren, das Weiterkommen regeln, Halt geben, ohne einen bleibenden Eindruck zu schaffen. Zwischen den luziden neonfarbenen Streifen tauchen immer wieder Flächen in Altrosa und Grün auf. Eigentümlich stumpfe Farben. Der Farbauftrag ist deckend, fast pastos, eine irritierende Unterbrechung des visuellen Kanons, der eben noch durch die luftigen Konstruktionen aufgebaut worden war.
Es sind diese kleinen Irritationen, die Höllerers Bilder stets neu erlebbar machen, die in diesem Zusammenhang eine Unterbrechung erzeugen, eine Störung und im Sinne des konstruierten Bildes einen koordinierten Dissens im Bezugssystem ihrer visuellen Logik.
In Friederike Höllerers Bildern dominiert das Flüchtige, das Uneindeutige. Ihre Perspektiven sind verschoben. Die Rahmen nicht geschlossen, die Bezugssysteme widersprüchlich. Die visuellen Codierungen nicht eindeutig. Bewusst grenzt sie sich mit der Malerei von moderner Fotografie ab, auch wenn diese, wie etwa bei Beate Gütschow, oftmals konstruierte Traumwelten surrealer Stadtlandschaften zeigen.
Höllerers Bilder betonen das Imperfekte, das Handwerkliche. Sie sind keine Werbegrafik, auch wenn sie die grelle Oberfläche der Stadt visuell abtasten. Sie sind ganz bewusst Malerei, die mit den Eigenheiten des Mediums arbeitet. Unter dem lasierenden Farbauftrag schimmern dahinter verborgene Schichten hindurch, Kleckse und Tropfnasen lassen die Viskosität von Farbe und sogar die Struktur der Leinwand präsent werden. Das unerwartete Bewusstsein für die Materialität des Bildes kontrastiert mit der Auseinandersetzung mit Oberfläche und Flüchtigkeit.
Die Erfassung des Stadt-Bildes geschieht in den Bildern summarisch. Es ist keine konkrete Stadt, die sie uns vorführt. Es ist kein Ort, den man wiedererkennen kann. Es sind Bilder, die wie flüchtige Erinnerungen wirken, wenn sich viele diffuse Eindrücke zu einem Ganzen überlagern, das allenfalls für einen kurzen Moment eindeutig erscheint, um sich dann aber doch nicht greifen zu lassen.
Es ist Friederike Höllerers ganz eigene Stadterfahrung, Ihre Neugierde und ihre Faszination von Großstädten, die sie als Reisende erlebt und die sie in ihren Bildern verarbeitet. Redet man mit Ihr über ihr Erleben, dann fällt auf, dass sie sich vor allem für das Große interessiert, die summarische Erinnerung, die sie aber immer wieder mit präzisen Beobachtungen im kleinen Maßstab kontrastiert, mit den Mikro-Architekturen des Alltags. Mit Geschäften, die in den straßenraum expandieren, mit Aneignungsprozessen und Verdichtung auf kleinstem Raum – strukturelle Spuren der Bewohner. Hier findet sie offenbar etwas vom Wesen der Großstadt wieder, das sie auch im großen Maßstab fasziniert. Verbunden mit Lebendigkeit, mit schrillen Farben und dem Zusammentreffen unterschiedlichen kultureller Prägungen auf engem Raum. Dichte und Nähe sind für sie elementare Bestandteile der Stadt.
Und dennoch: Menschen, Pflanzen und Schriften suchen wir vergeblich. Höllerers Städte sind eigentümlich unbelebt. Damit unterscheiden sie sich von jenen Stadtbildern, die sich mit der Rolle des Individuums in der Stadt auseinandersetzen, mit Themen wie Kommunikation oder Vereinsamung, Aneignung von Raum, Gestaltung von Orten oder sozialen und gesellschaftlichen Dimensionen.
Friederike Höllerers Städte zeigen vielmehr ein diffuses Rauschen, das eine immer weniger ortsbezogene Architektur erzeugt. In ihren diaphanen Konstruktionen löst sie die Oberfläche auf, ohne den Betrachtern Halt zu geben. Es ist damit auch ein Spiel, nicht nur mit unseren Erinnerungsbildern, sondern auch mit unseren räumlichen Erfahrungen, mit Grundfragen unserer visuellen Orientierung und unserer eigenen Verortung im Raum.
Cover-Artwork CD "crescendo" Klassik Magazin Ausgabe 4/2019
Das Cover-Artwork „Light+Bright 15“ gehört zur neuen Serie „Light+Bright“ von Friederike Sofie Hoellerer.
Sie ist fasziniert von Metropolen, deren Häuserfluchten, den Silouetten, dem weltweiten Gebäuderanking. Mit verzerrten Perspektiven, dem Ineinandergreifen und Aufeinanderlegen von Ebenen, Transparenzen und grellen Farbenkombinationen. Das alles bringt Hoellerer auf die Leinwand. Die urbane Architekur übt auf Friederike Sofie Hoellerer eine starke Anziehung aus. Verrückte Perspektiven, unwirkliche Räume - alles darf auf die Leinwand was sich an Eindrücken angesammelt hat. Eine Collage aus Harmonien und Disharmonien die sich kreuzen, überlagern, abwechseln, ineineanderfließen auch mal abdriften. Wie ein übereinanderlegen und ineinanderfließen von Tonfolgen zu einer Klangcollage - mal lauter, mal leiser werden, aus dem Nichts beginnend und abrupt endend - wie stabile und instabile Rhytmen im Puls der Großstadt. Sehr frei und doch auch sehr komplex. Man könnte problemlos die z-Achse aus den Bildern rausziehen und in das Großstadtlabyrinth reinspazieren.
Cover-Artwork CD "crescendo" Klassik Magazin
Das Cover-Artwork "Stripes IV" ist aus der Serie "Streifen - Stripes" an der Friederike Sofie Hoellerer seit 2012 arbeitet. Der Bildaufbau ist wie in ihren vergangenen Serien in Schichten angelegt, die über mehrere Werkphasen prozesshaft aufgetragen werden. Die rhythmisierten waagerechten Linien charakterisieren die Serie. Ähnlich dem Komponieren von Musik ist der Anfang inspiriert von einer Emotion, einer Stimmung, eines Zustandes der seinen Ausdruck finden will - ein schöpferischer Prozess kommt in Gang. Manchmal dienen bestimmte ausgewählte Lieblingspassagen von Musikstücken zur Einstimmung, als Aktivator für die Wahl der richtigen Farbkompositionen und Variationen, deren Gemeinsames die Waagrechte ist. Wie das Arrangieren von Instrumenten, Melodien und Rhythmen beim Komponieren, bis sich die emotional entsprechende Harmonie einstellt - es kein Mehr, kein Weniger bedarf.
Einzelausstellung 2013 "Streifen und Stripes", Augustinum München - Neufriedenheim
Rhythmisierte waagerechte Linien hinterlassen ein geometrisch-abstraktes flimmerndes Chaos auf der Netzhaut: Die vielfältigen Strichkombinationen der Lüpertz-Schülerin Friederike Hoellerer spielen mit der intensiven Farbigkeit und der Form aus gemusterten und geschwungenen Linienbändern.
Barbara Thörner, Kunsthistorikerin München,11.10.2013
Ausstellung "Von Anfang an", Galerie im Stadtmuseum Freilassing
Eine eigene Rhythmik scheinen die unterschiedlich starken, meist waagrechten Linien der Bilder von Friederike Hoellerer zu unterliegen. Fasziniert vom geordneten Chaos der bunten Linien in Harmonie mit dem farbigen Hintergrund, ist der Besucher geneigt, hinter die variablen Strichformationen blicken zu wollen, um so vielleicht ein derart geschickt verborgenes Geheimnis zu entdecken. Der Macht der Frabintensität ihrer facettenreichen Objekte kann sich kaum ein Besucher entziehen, zu sehr üben sie eine belebende Wirkung auf den Betrachter aus.
Freilassinger Anzeiger, Gisela Brechenmacher Traunsteiner Tagblatt, 20.3.2013
„Input – Output“: Ein anregender Austausch in der Kunst
Kein Besucher wird an der überraschenden und witzig ironischen Installation von Friederike Hoellerer
(»input-output«) mit Nähmaschine und großem Ölbild einfach vorbeigehen.
Traunsteiner Tagblatt, 27.10.2012
Friederike Sofie Hoellerers "2011 Zeitimpressionen, Rot"
Die in München lebende studierte Grafikdesignerin Friederike Sofie Hoellerer ist die Künstlerin unserer aktuellen Edition im Jubiläumsjahr 2011, die in künstlerisch sehr aparter Art und Weise einige der Arbeitsgebiete von tisoware umsetzt und aufzeigt. Die Bedeutung von "Zeit" für unser Arbeiten lässt sich gut erkennen, einige unserer Module wie "Prämie", "Kant" oder "Zutritt" werden namentlich genannt und auch unser "Firmenhund" Bobby sowie ein Hinweis auf unser langjähriges Engagement als Fecht-Sponsor dürfen natürlich nicht fehlen. Hoellerers Werke sprechen den Betrachter in der Regel sofort und unmittelbar an, lassen ihm aber trotzdem Platz für eigene Gedanken und weitere Interpretationsmöglichkeiten. Besonders ansprechend und bezeichnend ist die delikate Farbgestaltung ihrer Werke so auch hier in der vorliegenden Edition -, die in ihrer Präsenz die Kraft der Farbe als psychologische Energie bündelt. Die Künstlerin verwendet für diese spezielle Farbwirkung teilweise selbst hergestellte Farbmischungen, deren Rezeptur natürlich ein gut gehütetes Geheimnis ist. Friederike Sofie Hoellerer arbeitet sehr gerne im Großformat, in dem sie ihre Ideen und ihre Vorstellungen bestens künstlerisch-konsequent umsetzen kann. Prägende Einflüsse erhielt sie neben ihrem Studium auch durch verschiedene Kurse sowie durch einen Workshop bei einem der bedeutendsten Künstler Deutschlands, bei Markus Lüpertz. Ihr künstlerisches Interesse ist insgesamt sehr vielfältig, so beschäftigt sich Hoellerer unter anderem auch mit dem Medium Holzschnitt; ihre Vorliebe gilt aber speziell der Malerei.
tisoware.Zeitung 2012
Leidenschaft und Talent
Hinter den Bildern von Friederike Sofie Hoellerer steckt akribische Arbeit, Leidenschaft und Talent. Ihrem Erfolg ging ein Grafik-Design Studium voraus sowie Unterricht bei Peter Tomschiczek und ein Aufeinandertreffen mit Markus Lüpertz. „In jedem Bild finden Betrachter die Farbe Rot in unterschiedlilchen Nuancen“, erklärt Laudatorin Claudia Pielmann den Gästen. „Rot ist die Lieblingsfarbe der Künstlerin und symbolisiert für sie Liebe, Leben und Leidenschaft.“
HighLights Magazin, Nürnberg September 2010
Alle ihre Taten
Die Münchner Künstlerin Friederike Sofie Hoellerer überlässt nichts dem Zufall. Sogar die Farben für ihre großformatigen Bilder mischt sie selbst an – nach streng geheimen „Rezepten“. Das Ergebnis ihrer Arbeit – Bilder von unwiderstehlicher Farbenpracht und künstlerischer Präsenz.
Abendzeitung, 3.12.2008
" See the light". Die Bilder sind ein Zeugnis großer Emotionen und intensiver Freude am Malen.
Mit immenser Energie wirft Friederike Sofie Hoellerer die Farbe auf die Leinwand, so kraftvoll, dass sie teilweise herunterläuft. Auf grauem Untergrund malt sie mehrere Schichten in kräftigen Farben und schreibt:
Holzkirchner SZ, 26.11.2003
Friederike Sofie Hoellerer aus München malt Schichten mit selbst hergestellten Farben. Manchmal dauert es mehrere Wochen, bis sich mehrere Werkphasen zu einem Ganzen fügen, doch die Ergebnisse sind Bilder, aus denen Leidenschaft spricht.
Tegernseer Zeitung, 10.12.2003